Einsamkeit betrifft viele – keiner ist damit allein!

„Warum gehst du so krumm, Tiger?“, fragte der kleine Bär.

„Ich bin so unglücklich, Bär.“

„Dann steig auf, ich trag dich ein Stückel.“ (Janosch, 1979)

Im Bereich der Selbsthilfe begegnet uns als Selbsthilfekontaktstelle das Thema Einsamkeit immer wieder auf sehr unterschiedliche Art und Weisen. Familienzusammenschlüsse brechen auseinander, Krankheit, Behinderung, zunehmendes Alter, Verlust durch Tod oder Trennung sowie mangende soziale Teilhabe z.B. durch Arbeitslosigkeit, Wohnortwechsel, Zuwanderung oder Mobilitätseinschränkungen führen häufig zu Rückzug und Isolation des Einzelnen.

Die Gründe für Einsamkeit sind damit vielfältig und zudem auch in den bestehenden gesellschaftlichen Strukturen zu finden: nachbarschaftliche Strukturen finden sich im ländlichen Raum noch ausreichend, dafür ist die soziale Kontrolle stärker ausgeprägt, was auch negative Aspekte mit sich bringt: der Einzelne fühlt sich unter Umständen kontrolliert und schämt sich. Neben den individuellen Gründen für Einsamkeit spielen gesellschaftliche Aspekt von außen, z.B.  Ausgrenzung, in sich geschlossene Systeme, wenig aufgeschlossene Strukturen etc. eine große Rolle.

Mit zunehmendem Alter kommen häufig mehrere dieser zuvor genannten Komponenten zusammen und es bleibt nicht bei einer Einschränkung. Damit steigt das Risiko für Einsamkeit im Alter und es wird für den Einzelnen immer schwieriger selbst „Herr“ der gelebten Strukturen zu bleiben. Zunehmende Mobilitätseinschränkungen führen oft zu Rückzug und Unvermögen bestimmte Dinge zu tun. Viele Menschen möchten dabei nicht abhängig sein und anderen „zur Last fallen“.

Das Bedürfnis nach Gemeinschaft, nach Aktivität aber auch gebraucht zu werden und am Leben selbstbestimmt teilhaben zu können ist für die meisten Menschen grundlegend und notwendig für ein erfülltes Leben. Wird dieses Bedürfnis über einen längeren Zeitraum nicht befriedigt, führt dies zu einer sehr belastenden Situation des Betroffenen oder gar zu Erkrankung von Seele und Körper.

Immer häufiger können wir auch in unserer Arbeit beobachten, dass Einsamkeit als „ein“ Auslöser oder aber als eine belastende Begleiterscheinung für psychische aber auch physische Erkrankungen genannt werden. Depressionen oder die Flucht in Süchte und Abhängigkeiten ist nicht selten gegeben. Viele unserer Anrufer und Hilfesuchenden in der Selbsthilfekontaktstelle finden in einer Selbsthilfegruppe eine Anlaufstelle in der Gemeinschaft. Aufgabe der Selbsthilfekontaktstelle ist es dabei aus Sicht jedes Einzelnen, den Boden zu bereiten für selbstorganisierte Initiativen. Diese setzen an den Ressourcen Einzelner an, sind selbstorganisiert und selbstbestimmt. Sie ermöglichen den Austausch – und der ist entscheidend für den Weg aus der Einsamkeit!

Es bedarf niedrigschwelliger Angebote von außen, die sich an den Bedürfnissen der Menschen orientieren. Die Hilfe darf nicht „übergestülpt“ werden, sie muss freiwillig und selbstbestimmt abrufbar sein für den Einzelnen. Ohne Hürden, Kontrolle und Scham.

Kooperationen zwischen Pflege-, und Beratungseinrichtungen können gestärkt werden. Dabei sollte es das Ziel sein Doppelstrukturen oder Konkurrenzen zwischen den unterschiedlichen Akteuren zu vermeiden und bestehende Netzwerke auszubauen. Hier sind alle gefragt, die mit der Zielgruppe und dem Thema „Einsamkeit im Alter“ in Berührung kommen. Mögliche Angebote sollten dabei aber nicht auf das „Alter“ reduziert werden, sondern alle Generationen mit ins Boot holen. Entscheidend bei den Angeboten ist es nicht zu stigmatisieren, sondern zu zeigen: „Es gibt viele Menschen, die so empfinden wie du, du bist damit nicht allein! Einsamkeit kann jeden treffen und es gibt viele Wege heraus.“

März 2020

Michelle Bautz
Pädagogin (M.A.) | Selbsthilfekontaktstelle im Gesundheitsamt