Selbsthilfegruppe für Ehlers-Danlos-Syndrom soll entstehen/Betroffene leidet im Alltag stark unter Kreislaufproblemen

Anna muss sich im Alltag immer viel bewegen, damit ihr Blutdruck nicht absinkt.

  

Limburg-Weilburg. Anna (Name geändert) ist eine junge Frau aus der Region, die unter dem Ehlers-Danlos-Syndrom leidet und im Landkreis Limburg-Weilburg für Betroffene eine neue Selbsthilfegruppe gründen will. „Mir ist es wichtig, dass Menschen mit ihren Beschwerden von den Ärzten und der Gesellschaft ernstgenommen werden“, sagt die 32-Jährige. Nur weil eine Krankheit nicht sofort erkannt werden könne, heiße das nicht, dass ein Mensch nicht wirklich ernsthafte gesundheitliche Probleme haben könne.  

 

Die vom Ehlers-Danlos-Syndrom Betroffene weiß sehr gut, wovon sie spricht. Bei ihr wurde auch von einem Arzt angenommen, ihre Beschwerden seien rein psychosomatisch bedingt. Ein anderer diagnostizierte ihr ADHS, was aber nicht all ihre Beschwerden begründete. Leider denken normalerweise Hausärzte und Hausärztinnen sowie normale Fachärzte und Fachärztinnen nicht direkt an eine mögliche seltene Erkrankung, so Annas Erfahrungen. Hinzu kommen lange Wartezeiten auf Facharzttermine, das Weiterleiten zu wieder anderen Fachmedizinern und auf Untersuchungsergebnisse. Es kam auch mehrfach vor, dass die Patientin abgelehnt wurde, obwohl es ihr richtig schlecht ging.

Anna wurde von Kliniken abgelehnt mit der Begründung, dass es nicht genügend Vorbefunde gäbe und man sie lieber an eine psychosomatische Klinik weiterverweisen würde. Dadurch ging ebenfalls sehr viel Zeit verloren. Insgesamt dauerte es bis zur endgültigen Diagnose laut ihren eigenen Angaben ungefähr zehn Jahre. Anna kann allen Menschen, die ungeklärte Beschwerden haben, nur raten, sich von Ärztinnen und Ärzten nicht abwimmeln zu lassen und die eigenen Symptome in einem Tagebuch festzuhalten. Sie selbst hat die hypermobile Form des Ehlers-Danlos-Syndroms, durch das sie vor allem im Alltag der sitzlastigen modernen Welt sehr viele Schwierigkeiten hat.

 

Es fängt schon damit an, dass man sehr viel am Zeit am PC verbringen muss, wodurch die stabilisierenden Muskeln sehr schnell verspannen und die Nerven beeinträchtigen. Dadurch kann es zu Taubheitsgefühlen bis hin zu Lähmungen kommen, aber auch orthostatische Kreislaufbeschwerden bestimmen den Alltag. Das Stehen in einer Warteschlange oder das Warten auf öffentliche Verkehrsmittel vor allem bei Wärme sind Situationen, die einen Kreislaufzusammenbruch auslösen können. Deswegen hat Anna immer Notfallkreislauftropfen, Traubenzucker und etwas zu trinken dabei und versucht immer in Bewegung zu bleiben, um den Kreislauf gar nicht erst absacken zu lassen.

Bereits in der Schule waren die Kreislaufprobleme so auffällig, dass sie deswegen oft zuhause blieb und viel vom Unterricht verpasste. Lehrer und Mitschüler unterstellten ihr, keine Lust zu haben. Auch Autofahren ist für sie nicht mehr möglich, weil das Sitzen die Nerven der Beine und die Motorik beeinträchtigt. Sie musste immer schon viel laufen und spazieren gehen, Liegen dagegen bereitet ihr auch Probleme. Ihre Gliedmaße werden dabei schnell taub. Anna liebt es privat, sich handwerklich zu betätigen, doch auch hier ist ihre Zeit länger zu stehen begrenzt. Folglich muss sie ihre Projekte immer wieder unterbrechen. Denn durch ihre Kreislaufproblematik kann sie sich nicht länger konzentrieren. „Wenn dieser Punkt eintritt, wo ich mich nicht mehr konzentrieren kann, muss ich mich eine Zeit lang bewegen, damit meine Verfassung wieder stabil wird“, sagt Anna. Auf das Ehlers-Danlos-Syndrom kam sie durch einen Hinweis ihres ehemaligen Orthopäden, der immer wieder das

Hypermobilitätssyndrom dokumentiert hatte. Daraufhin hat sie einen Termin in der Kölner Dermatologie der Uniklinik ausgemacht, welche ihr die Verdachtsdiagnose Ehlers-Danlos-Syndrom bestätigte. „Man wird durch eine solche Krankheit sehr einsam“, berichtet die Betroffene. Um mit Freunden weggehen zu können, muss sie sich die Tage vorher schon ausgiebig bewegen, um den Kreislauf für einen Tag stabil halten zu können. Anna hat trotz ihrer vielen Fehlzeiten durch die Erkrankung zwar ein gutes Fachabitur an der Limburger Friedrich-Dessauer-Schule geschafft. Allerdings konnte sie aber aufgrund ihrer gesundheitlichen Probleme anschließend ihr gewünschtes Studium nicht antreten und auch nie einem Beruf nachgehen. „Es gibt so viele Dinge, die mich interessieren würden, aber ich kann mich nicht lange konzentrieren und müsste die Arbeit darum immer wieder unterbrechen“, sagt sie. Durch ihr spezielles Bindegewebe ist auch jedes Gelenk überbeweglich und die umliegenden Muskeln müssen stärker arbeiten, um die Gelenke zu stabilisieren. Andernfalls wäre die Abnutzungsgefahr sehr hoch. Genauso die Gefahr, sich durch normale Belastung Haut oder Muskeln zu verletzen. Anna hat sich ihr eigenes Trainingsprogramm durch Übungen von verschiedenen Physiotherapeuten und eigene Praxiserfahrungen selbst zusammengestellt. Zusätzlich trainiert sie jeden Tag ihre allgemeine Motorik, hat in der Wohnung ein Trampolin stehen und überall in den Zimmern Balance-Pads verteilt.

 

Anna möchte gerne eine Selbsthilfegruppe gründen, um Menschen mit der gleichen Erkrankung kennenzulernen. Denn es ist sehr schwer, Menschen mit einer seltenen Erkrankung in der Nähe ausfindig zu machen. Sich mit Gleichgesinnten im Internet zu vernetzen, wäre für sie sehr unpersönlich. Gerne würde Anna auch ein spezielles Bewegungsprogramm für Betroffene des Ehlers-Danlos-Syndroms entwickeln. Anna hat vor einem Jahr einen Freund gefunden, der ihre Einschränkungen akzeptiert. Trotz der vielen Nachteile versucht die Frau mit der seltenen Erkrankung das Beste aus ihrem Leben zu machen.

 

Wer auch am Ehlers-Danlos-Syndrom leidet und sich an der neuen Selbsthilfegruppe beteiligen möchte, erreicht die Selbsthilfestelle der Kreisverwaltung dienstags, mittwochs und donnerstags jeweils von 8 bis 14 Uhr unter Telefon 06431 296-635 oder 0160 90714155 bzw. per E-Mail unter selbsthilfe@limburg-weilburg.de (Michelle Bautz).

 

Ehlers-Danlos-Syndrom: Das Ehlers-Danlos-Syndrom (EDS) ist eine Erbkrankheit, die mit einer Bindegewebsschwäche einhergeht. Derzeit unterscheidet man 13 Subtypen des EDS. Durch Gendefekte ist das Bindegewebe so verändert, dass Haut und Gelenke hypermobil, also zu elastisch sind. In schweren Fällen können auch die Organe und Blutgefäße betroffen sein. Die Wahrscheinlichkeit einer Vererbung beträgt 50 Prozent. Typische Merkmale des EDS betreffen Haut und Gelenke: Die Haut ist dünn, sensibel und sehr elastisch. Oft kommt es zu Wundheilungsstörungen und einer abnormalen Narbenbildung. Die Gelenke sind überdehnbar und entsprechend anfällig für Verletzungen. Daneben können auch innere Organe, Augen und Zähne von der Bindegewebsschwäche betroffen sein.