Die Kehrseite der Digitalisierung

Meliha Delalic (WIR-Projekt, links) und Iris Buchner (Weltladen Limburg) bei der Begrüßung zur Filmvorführung „Welcome to Sodom“.

Limburg-Weilburg. Im Rahmen der Interkulturellen Woche haben der Weltladen Limburg und die WIR-Fallmanagerin für Geflüchtete des Landkreises Limburg-Weilburg, Meliha Delalic, in gemeinsamer Kooperation zu einem Filmabend mit anschließender Diskussion eingeladen. Die Filmvorführung war unter anderem ein Bestandteil einer dreiteiligen Fortbildungsreihe für Ehrenamtliche im Landkreis, die durch die Kampagne „Gemeinsam aktiv – Bürgerengagement in Hessen“ der Hessischen Staatskanzlei gefördert wurde.
Gezeigt wurde der Dokumentarfilm „Welcome to Sodom“ aus dem Produktionsjahr 2018. „Sodom“ – die Hölle auf Erden – so wird die 16 Quadratkilometer große Elektro-Schutthalde in einem Vorstadtteil von Accra, der Hauptstadt Ghanas, genannt. Hier ist die Endstation für Elektro-Schrott aus aller Welt, vorwiegend aus Europa und anderen Nationen. Nach Schätzungen der Vereinten Nationen fallen weltweit jedes Jahr zwischen 20 und 50 Millionen Tonnen Elektromüll an – mit steigenden Tendenzen. Das meiste davon landet containerweise auf der Elektrohalde in Ghana, die zugleich zu den giftigsten Orten der Welt zählt.
Ihren Anfang hatte die Mülldeponie in einem Hilfsprogramm, was sich als Bumerang herausstellen sollte: Ursprünglich sollten gebrauchte, noch intakte Computer nach Ghana transportiert werden, um dort aufgearbeitet und genutzt zu werden. Das entartete aber bald in einen massenhaften, illegalen Import von Computer- und Metallschrott aus aller Welt. Heute leben und arbeiten schätzungsweise 6.000 Menschen auf der Deponie, die Laptops, Handys, Monitore und Elektronikabfall unter kaum vorstellbaren Arbeitsbedingungen zerlegen, um Wertstoffe zu gewinnen und weiterzuverkaufen. Am Ende landen die recycelten Rohstoffe – vor allem Kupfer, Aluminium, Zink und Eisen –  über die Großhändler wieder in den Industriestaaten.
So werden die Plastikverkleidungen von Kabeln und die Kunststoffgehäuse der Computer verbrannt, um an die begehrten Rohstoffe zu kommen. Die dabei freigesetzten, krebserregenden Chemikalien – wie beispielsweise Blei, Chrom und Quecksilber – sickern nicht nur in Boden und Grundwasser ein, sondern landen in den Körpern der dort lebenden Menschen. Täglich atmen sie, darunter viele Kinder und Jugendliche, die toxischen Dämpfe ein, um sich und den Familien durch den Erlös aus dem Rohstoffverkauf die Existenzgrundlage zu sichern. Oft springt dabei nur ein Minimum heraus: „Wenn ich Glück habe, kann ich mit einem Computer ein gutes Geschäft machen, wenn nicht, bleibt mir zumindest das Kupfer. Alles aus dem Inneren. Das reicht dann gerade für eine Mahlzeit“, meint ein Film-Protagonist.
Der Film lässt die Zuschauer insbesondere hinter die Kulissen der Müllhalde blicken und portraitiert die Lebensumstände von Menschen, die am untersten Ende der globalen Wertschöpfungskette stehen und deren Existenz und Alltag von der modernen Technologie geprägt und zugleich bedroht ist. Anhand von kurzen Clips mit Aussagen von fünf Protagonisten gewinnt der Zuschauer nach und nach einen Einblick in die Struktur dieses wie wild gewachsenen Gesellschaftssystems mit seinem rudimentären Wirtschaftssystem. Im thematischen Zentrum des Filmes stehen nicht die Umweltzerstörung oder die kriminelle Abfallwirtschaft, sondern in erster Linie die Schicksale der Menschen, die in „Sodom“ in extremer Armut leben und dort ihr Existenzminimum bestreiten.
Die Verarbeitung der Eindrücke aus der über 90-minütigen Filmdarbietung beanspruchte die Zuschauer einige Zeit. Dann ergaben sich im Gespräch Stichpunkte zu Abhilfen wie die Basler Konvention zur Vermeidung des Exports gefährlichen Abfalls. Eigentlich dürfte es eine Deponie dieser Art gar nicht geben, denn laut Basler Konvention von 1989 dürfen nur die funktionierenden Altgeräte ins Ausland exportiert oder entsorgt werden. Zur generellen Abfallvermeidung wurden Bestrebungen thematisiert, Smartphones so herzustellen, dass sie mehr den ökologischen Kriterien entsprechen, indem ihre Einzelteile nicht mehr fest verbaut werden, wie beispielsweise der Akku, sondern ausgewechselt werden können. Im Sinne von Ressourcenschonung und Abfallvermeidung sollte ein Handy so lange benutzt werden, wie es funktioniert und zugleich für Updates und Reparaturen fähig bleiben.